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Die Manufaktur – 1 – Abend

Jetzt endlich, nachdem ich nun schon seit einiger Zeit mit dem Gedanken spiele, meine Fantasien zu veröffentlichen, wage ich den ersten Schritt, um meine Geschichten einem breiteren Publikum zum Lesen zu geben. Ich bin gespannt auf Eure Meinung und Kritiken. Die ganze Geschichte ist frei erfunden, auch wenn einige Orte real existieren. Wer sofort spritzigen Sex erwartet, den muss ich enttäuschen. Mit etwas Geduld wird diese Geschichte aber auch diesem Bedürfnis gerecht ;-)——————1 – AbendIch arbeite als Angestellter in einer größeren Firma.

Was genau ich mache, darüber breite ich das Mäntelchen des Schweigens. Es würde ansonsten etwas zu viel von mir verraten. Es tut auch nicht wirklich etwas zur Sache. Bereits von meinen früheren Arbeitgebern war ich es gewohnt, dass es mindestens einmal im Jahr ein von der Firma organisiertes Event gab, das nicht nur für gemeinsame Meetings und der Verbreitung allgemeiner Firmenparolen diente, sondern auch der Festigung des Teams und der Entwicklung kollegialer Kontakte. Ja, bei solchen Veranstaltungen kommt es auch hin und wieder zu sehr persönlichen Begegnungen, die aber nicht Teil meiner Geschichte sind, jedenfalls nicht dieser Geschichte.

Gemeinhin beginnen solche Tage morgens mit ganz normaler Arbeit. Nach dem Mittagessen treffen sich dann einzelne Gruppen zu verschiedenen nachmittäglichen Unternehmungen, um sich am frühen Abend wieder zu einem Essen und anschließender musikalischer Bespaßung bei Bier und Wein zu versammeln. Nicht jedem lieg es, die mehr oder weniger actionreichen Veranstaltungen mitzumachen, oder sich am Abend im Kollegenkreis wieder und wieder über ganz normale Arbeitsthemen zu unterhalten. Ich hatte an diesem besonderen Freitag leider meine Gruppe, die eine Besichtigung des Airbus-Werkes in Hamburg-Finkenwerder hätte machen dürfen, verpasst.

Ein wichtiger Telefonanruf hatte verhindert, dass ich pünktlich beim vereinbarten Treffpunkt erscheinen konnte. In Windeseile rannte ich zu meinem Auto im Parkhaus und versuchte trotzdem, die Kollegen einzuholen. An einem normalen Arbeitstag herrscht auf allen Straßen zum Feierabend schon ein heftiger Berufsverkehr. An einem Freitag jedoch, bricht der organisierte Wahnsinn aus. Ich versuchte alles in meiner Macht stehende, um noch rechtzeitig vor Abfahrt der Sonderfähre in Teufelsbrück einzutreffen. Vergebens. Ich sah das Fährboot mehrere hundert Meter vom Anleger entfernt auf die andere Seite der Elbe übersetzen.

Der Wind trug stimmungsvoll laute Gesprächsfetzen und Gelächter meiner Kollegen zu mir hinüber. Aus. Das war’s. Ich hatte mich ursprünglich sehr auf diese Besichtigung gefreut, doch nun war meine Stimmung auf dem Nullpunkt. Was sollte ich die ganze Zeit tun? Ich beschloss, mein Auto auf dem kleinen Parkplatz an der Elbe stehen zu lassen und mit Bus und Bahn zu unserer abendlichen Location für das Essen zu fahren. Dort würde ich dann noch einige Stunden die Zeit totschlagen, bevor nach und nach alle Kollegen von ihren Unternehmungen im Restaurant eintrafen.

Der Tag war noch sonnig und warm, und so hatte ich noch die Möglichkeit, mir auf einer Parkbank die letzten Sonnenstrahlen des Tages ins Gesicht scheinen zu lassen. Für den Abend waren Gewitter angesagt, jetzt war aber noch kein Wölkchen am Himmel zu sehen. Ich streckte alle Viere von mir, schloss die Augen und genoss die Wärme auf meiner Haut. Ich musste wohl ein Weilchen eingenickt sein, denn ich wurde von einem etwas heftigeren Luftzug geweckt.

Ein kurzer Blick auf meine Uhr sagte mir, dass es kurz nach halb sechs sein musste. Ich hatte noch eine knappe halbe Stunde, bis der zweite Teil des Tages, das abendliche Buffett, offiziell eingeläutet wurde. Mein Magen meldete mit einen leichten Knurren sein Recht an gut gefüllt zu werden und meinen trockenen Gaumen verlangte es nach etwas Trinkbarem. Ich erhob mich also von der Bank und ging um die Ecke zum Eingang des Hotels, welches das Restaurant für den heutigen Abend beherbergte.

Eine erneute Windbö lies mich zum Himmel empor blicken, der sich nun merklich verfinstert hatte. Die für den Abend angekündigten Gewitter schienen nicht mehr fern zu sein. Noch immer etwas geknickt betrat ich das Restaurant, wo sich bereits eine stattliche Zahl der Kollegen an der Bar versammelt hatte und ein Bier nach dem anderen bestellte. Ich langte über eine Schulter und lies mir ein großes alkoholfreies Weizenbier geben. Ich stellte mich etwas abseits und beobachtete das Geschehen.

Fast wäre mir mein Glas aus der Hand gefallen, als mir eine Hand auf die Schulter schlug: „Mensch… da bist Du ja. Wir haben Dich schon vermisst. Airbus war das absolute Highlight. Schade, dass Du nicht dabei warst“, tönte es aus dem Mund meines Kollegen. Ich nuschelte sowas wie: „…leider verpasst… Scheißlaune… nur essen und dann nach Hause…“ Damit war das Gespräch für mich beendet. Diese offenkundige Begeisterung über die von mir verpasste Besichtigungstour, trug nicht gerade zur Aufhellung meiner Stimmung bei.

Ich setzte mich also an einen Tisch an der Seite, wo ich fast alleine saß und genoss etwas später das abendliche Büfett, das allerdings außerordentlich lecker war. Gut gesättigt aber maulfaul suchte ich nach einer passenden Gelegenheit, mich möglichst schnell aus dem Staub machen zu können. Als sich die Kollegen von meinem Tisch auf die Suche nach einem Dessert begeben hatten, nutzte ich die Chance, um mich auf den Weg zu machen. Draußen an der Garderobe schnappte ich meine Jacke und verließ das Lokal.

Es war bereits dunkel. Die Straßen waren nass von einem kurz zuvor herunter gekommenen Gewitterguss. Große Pfützen hatten sich gebildet. Aus den Fenstern des Restaurants hatte ich vorhin lediglich wahrgenommen, dass es geregnet haben muss, jetzt sah es aber so aus, als ob sich ein heftiger Wolkenbruch entladen hätte. Die Luft hatte sich merklich abgekühlt. Ich überlegte kurz, was ich jetzt eigentlich machen wollte. Zum Nachhausegehen hatte ich noch keine richtige Lust, also entschloss ich mich, ein wenig durch die Stadt zu bummeln.

Ich ging über die Straße und steuerte auf die U-Bahn zu. Ich bin eigentlich ein Autofahrer und nicht ganz so fit, was die Verbindungen des Nahverkehrs in dieser Stadt, die ohnehin nicht die meine war, anbelangt. Als junger Erwachsener hatte ich oft stundenlang die Stadt zu Fuß erkundet. Ausgerechnet an diesem Abend begann sich diese alte Leidenschaft wieder bemerkbar zu machen. An der nächsten U-Bahn-Station stieg ich aus. Hamburg Gänsemarkt. Ohne konkretes Ziel ging ich durch die Straßen.

Als grobe Orientierung nahm ich mir vor, in Richtung Landungsbrücken zu schlendern. Ein Weilchen später stand ich am U-Bahnhof Sankt Pauli. Hier ist der Millerntorplatz. Ein weites leeres Gelände erstreckt sich von hier parallel zu einem Grüngürtel. Mehrmals im Jahr findet hier eine große Kirmes statt, der Hamburger Dom. Heute war dieser Platz verwaist und mein Blick ging weiter zum Millerntorstadion, der Heimstadt von Hamburgs zweitem Fußballverein, dem FC St. Pauli. Etwas weiter hinten erkannte ich den markanten Hochbunker.

Aber hier beginnt auch die sündigste Meile Hamburgs, die Reeperbahn. Ich war hier in den letzten paar Jahren drei, vielleicht viermal unterwegs gewesen. Mich hatten die vielen Touristen, oftmals halb betrunkene Kegelbrüder, von einem entspannten Bummel durch die Läden immer abgehalten. Was in den Seitenstraßen zu finden war, wusste ich gar nicht. Heute aber schien auf der Straße etwas weniger los zu sein, was wohl dem starken Gewitter von vorhin geschuldet war. Es war mittlerweile kurz vor Mitternacht.

An der Reeperbahn selbst hatten alle Geschäfte geöffnet, auch wenn sie heute Abend nur wenig besucht waren. Die eigentlich Action spielte sich wohl etwas weiter hinten an der großen Freiheit ab. Mir war aber nun wirklich nicht danach, durch diese mit Müll und Kotze zugepflasterte Straße zu gehen. Also bog ich um die eine Ecke… dann um die nächste… und dann wieder um die nächste. Immer weniger Leute begegneten mir. Trotzdem war hier ein reger Verkehr zu verzeichnen, Nuttensuchverkehr, wie es mir schien.

Ich war auf einen kleinen Strich in einer Nebenstraße geraten. Die Mädels schienen eher gelangweilt. Sie machten mir nicht gerade den Eindruck, sich besonders um Kundschaft zu bemühen. An der Ecke standen drei etwa mittelgroße blonde Frauen und unterhielten sich. Zwanzig Meter weiter lehnte eine Schwarze, die etwas älter zu sein schien. In dem Zwielicht konnte man nicht so genau sagen, wie alt sie war. Vielleicht sah sie verbraucht aus, aber es war genauso gut möglich, dass sie einfach nur müde war.

Ich spürte ein leichtes Tröpfeln. Es hatte gerade wieder zu regnen begonnen. Ich ging die Straße ein Stück weiter. Kurz vor einer Baugrube wurde der Regen stärker. Bauarbeiter hatten die Baustelle nur schlampig abgesperrt, und ich musste auf die Straße ausweichen, um nicht in das Loch auf dem Gehweg zu stürzen. Ich hatte den Kragen meiner Jacke ein wenig hochgeschlagen, damit mir der nun noch stärker werdende Regen nicht in den Nacken laufen konnte.

Plötzlich nahm ich aus dem Augenwinkel den Scheinwerfer eines von hinten kommenden Autos war, das auf meiner Seite der Straße fuhr. Ich erschrak fürchterlich, als dieser Idiot von Fahrer genau auf meiner Höhe die Hupe betätigte, um mich quasi von der Straße zu schubsen. Die Pfütze, durch die er im selben Moment fuhr, tat ein Übriges. Ich machte einen Satz zurück nach rechts auf den Gehweg. Da war aber das Bauloch. Von links wurde ich durch den rücksichtslosen Autofahrer vollgespritzt und rechts landete ich in der mit Wasser gefüllten Grube.

„So eine gottverdammte Scheiße“, fluchte ich laut und heftig. Nass bis auf die Knochen stand ich mit einem Bein bis zum Knie im Dreck. Auf einmal hörte ich in meiner Nähe ein Kichern. Ich sah mich um und erblickte eine junge Frau, die sich im Halbdunkel an einer Ladentür zu schaffen machte. „Na schönen Dank auch…“, schimpfte ich weiter. „Oh… sorry… So war das nicht gemeint. Aber Ihr Satz in das Loch war einfach akrobatisch schön.

“ Die Frau trat ins Licht der Laterne. Ihr Lachen war nun keineswegs mehr schadenfroh zu nennen. Sie schaute mich eher mitleidig an: „Kann ich vielleicht irgendwas für Sie tun?“ fragte sie. „Ne Dusche und trockene Klamotten wären jetzt ne Option“, sagte ich, mir bewusst werdend, wie bizarr mein Anblick sein musste. Ich begann jetzt über meine eigene dämliche Situation selbst zu schmunzeln. Ich versuchte mich an der windschiefen Abzäunung der Baustelle aus dem Loch zu ziehen, was mir aber im ersten Moment nicht gelang.

„Hier… meine Hand“, sagte die Frau und streckte mir ihre rechte Hand entgegen, um mir aus der Grube zu helfen. Dankbar fasste ich zu. Ihre Hand war weich, ihr Griff aber fest. Mit einem Ruck zog sie mich halb nach oben, und ich stolperte ihr entgegen. „Danke“, sagte ich. „Heute ist es nicht mehr selbstverständlich, anderen Leuten zu helfen, schon gar nicht in einer Gegend wie dieser hier… und zu einer Zeit wie jetzt.

„“Kein Thema. Ich bin hier selbst schon mal reingefallen“, sagte die Frau. Ich konnte sie jetzt im Laternenlicht viel besser erkennen. Sie war ungefähr einssiebzig groß, hatte dunkles langes Haar und ein schlankes Gesicht. Ihre Figur war ebenfalls schlank. Das Besondere an ihr waren aber die Augen. Groß und dunkel sahen sie mich an. „Na dann… los gehts“, sagte sie. „Los? Wohin los?“ fragte ich ungläubig. „Na Sie wollten doch trockene Klamotten und ne Dusche.

„“Ähm… das war doch eher scherzhaft gemeint. „“Ach ja? Und so soll’s dann also durch die Stadt gehen?“ fragte sie belustigt und musterte mich mit einem abschätzenden Blick von oben bis unten. „Du holst Dir doch bloß was weg. “ Sie war unvermittelt zum persönlicheren >Du< übergegangen, was mir viel angenehmer war. Egal wo man ist, ein >Sie< lässt einen automatisch auf Abstand gehen, oder vermittelt einem das Gefühl, doch schon etwas älter zu sein.

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